Geschichte
In zwei Anläufen zum kantonalen und kommunalen
Frauenstimm- und -wahlrecht
von Claudia Hiestand
Wie freuten sich die Frauen im ganzen Land, als am 7. Februar 1971 das Frauenstimm- und -wahlrecht auf eidgenössischer Ebene angenommen worden war! Ein 100 Jahre dauernder Kampf konnte endlich zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Für die Schwyzerinnen allerdings war es nicht nur ein Freudentag, denn hierzulande war die männliche Stimmbevölkerung den Frauen gegenüber nicht wirklich wohlgesinnt – zumindest nicht, was deren politische Mitbestimmung anging.
Erstens: Der Schwyzer Souverän hatte der Verfassungsänderung, die gleiche politische Rechte für alle Schweizerinnen und Schweizer vorsah, nicht zugestimmt – und das sehr deutlich. 8136 Nein-Stimmen (57,8%) standen 5945 Ja-Stimmen (42,2%) gegenüber. Im inneren Kantonsteil hatte die eidgenössische Vorlage einen schwereren Stand, keine einzige Gemeinde gab ihre Zustimmung. In Ausserschwyz wurde sie immerhin in den drei Gemeinden Lachen, Wollerau und Freienbach angenommen.
Zweitens: Die Schwyzer hatten an jenem 7. Februar 1971 auch jene Vorlage bachab geschickt, die die Einführung des kantonalen und fakultativ des kommunalen Stimm- und Wahlrechts für die Frauen vorsah. Immerhin war die Vorlage in sieben Gemeinden angenommen worden: Lachen, Schübelbach, Wangen, Einsiedeln, Küssnacht, Wollerau und Freienbach. Die Bereitschaft, den Frauen die politische Gleichberechtigung einzuräumen, war in den Agglomerationsgemeinden demnach grösser als in den Innerschwyzer Gemeinden. Obwohl die kantonale Vorlage mehr Sympathie genoss als die eidgenössische Vorlage – sie konnte 47% Ja-Stimmen auf sich vereinen –, galt im Kanton Schwyz nun das Paradox, dass die Schwyzerinnen auf Bundesebene stimm- und wahlberechtigt waren, auf Kantons- und Gemeindeebene jedoch nach wie vor auf ihr politisches Mitbestimmungsrecht verzichten mussten.
Die Schwyzer Regierung: Wie ein Fähnchen im Wind
Die Frage der politischen Mitbestimmung der Frauen im Kanton Schwyz war durch eine Initiative der Jungkonservativen angestossen worden. Sie hatten im November 1969 die «Volksinitiative für eine Partialrevision der Kantonsverfassung zur Einführung des Erwachsenenstimmrechts» eingereicht. Einerseits verlangten sie, dass den Frauen in allen kantonalen Angelegenheiten das Stimm- und Wahlrecht eingeräumt wurde. Weiter sollten die Gemeinden und Bezirke befugt sein, das Frauenstimmrecht auch auf Gemeinde- und Bezirksangelegenheiten auszuweiten.
Der Regierungsrat unterbreitete dem Kantonsrat in der Folge zwei Vorlagen: die Einführung des integralen Stimm- und Wahlrechts und die Einführung des partiellen Stimm- und Wahlrechts für die Frau. Er selbst empfahl die erste Variante. Es sei nicht korrekt, wenn die Frau in kantonalen, nicht aber in kommunalen Angelegenheiten mitreden könne, begründet er. Ebenso sei es nicht nachvollziehbar, wenn Frauen in einigen Gemeinden politische Mitsprache hätten, in anderen jedoch nicht.
Der Kantonsrat wollte beide Vorlagen zur Abstimmung bringen. Doch dann kündigte der Regierungsrat zur Überraschung aller an, es sei politisch geschickter, die Bevölkerung nur über eine Vorlage abstimmen zu lassen. Damit nicht genug. Entgegen seiner ursprünglichen Haltung empfahl er jetzt das partielle Stimm- und Wahlrecht. Der Kantonsrat folgte dem Begehren. Als im Februar 1971 dann darüber abgestimmt wurde, lehnten die Schwyzer die Vorlage mit 880 Stimmen Unterschied ab.
5. März 1972: Die volle politische Gleichberechtigung
Angesichts des knappen Nein-Entscheids fackelte der Regierungsrat nicht lange. Er kehrte zu seinem früheren Kurs zurück und unterbreitete dem Kantonsrat kurz darauf eine neue Vorlage, die das integrale Stimm- und -wahlrecht zum Inhalt hatte. Die Vorlage war bei allen vier Fraktionen unbestritten. Uneinig waren sie sich hingegen darin, wann darüber abgestimmt werden sollte. Die einen drängten angesichts der Entwicklung in anderen Kantonen auf einen raschen Volksentscheid. Schwyz sollte nicht der letzte Kanton sein, der den Frauen die politische Mitsprache in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten gewährte. Die anderen wollten lieber zuwarten. Sie befürchteten, eine rasche Ansetzung des Abstimmungstermins könnte als Zwängerei ausgelegt werden. Der Rat einigte sich schliesslich auf den 5. März 1972.
Im Gegensatz zur Abstimmung im Jahr zuvor waren die Meinungen diesmal weitgehend gemacht. In den Zeitungen äusserten sich fast ausschliesslich Befürworter, und die politischen Parteien weibelten übereinstimmend für ein Ja. Es gab schlicht keine Argumente gegen das Frauenstimm- und -wahlrecht mehr. Vor allem die Verfechterinnen und Verfechter der politischen Gleichstellung warnten davor, dass Schwyz bei einem Nein sein Image als ewiger Hinterwäldlerkanton weiter zementiere. Ausserdem sei es inkonsequent, Frauen nur auf eidgenössischer Ebene wählen und abstimmen zu lassen.
Am Abstimmungssonntag gewährten die Schwyzer Mannen den Frauen mit 8535 Ja- zu 3987 Nein-Stimmen dann endlich die politische Mitbestimmung auf kantonaler und kommunaler Ebene. Nach wie vor gab es aber Uneinsichtige, allen voran in den kleineren Gemeinden im inneren Kantonsteil. Die meisten von ihnen lehnten auch diese zweite Vorlage ab.
Die ersten kantonalen und kommunalen Politikerinnen
Schwyz war gemeinsam mit Graubünden der 19. beziehungsweise 20. Kanton, der Ja zum kantonalen und kommunalen Stimm- und Wahlrecht für die Frauen sagte. Ihnen folgten später als letzte Kantone noch Nidwalden, Obwalden, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden.
Knapp zwei Monate nach dem Ja des Schwyzer Souveräns fanden am 30. April 1972 erstmals Kantonsratswahlen statt, bei denen auch Frauen partizipieren konnten. 37 Frauen aus zwölf Gemeinden und Bezirken stellten sich zur Wahl. Den Sprung ins Parlament schafften lediglich fünf:
Maya Bossard, CVP, Ärztin, Schwyz
Käthy Haug-Zünd, CVP, Hausfrau, Brunnen
Frieda Ziegler-Seifert, CVP, Hausfrau & Lehrerin, Altendorf
Berta Truttmann-Husy, CVP, Hausfrau, Küssnacht
Ruth Amacker-Hauser, SP, Hausfrau, Pfäffikon
Zwei Wochen danach trat im Bezirk Einsiedeln und in den Gemeinden Altendorf und Steinen je eine Frau zu den kommunalen Wahlen an. Allerdings war einzig die Kandidatur der Steinerin Elisabeth Betschart-Krieg von Erfolg gekrönt. Sie wurde am 14. Mai 1972 als erste Frau überhaupt in einen Gemeinderat gewählt.
Quellen: Archiv «Höfner Volksblatt», Staatsarchiv Schwyz